Digital Vorbild sein? Anstrengend!

Vorbild sein kann so verdammt anstrengend sein. Gerade, wenn man ein Smartphone in Reichweite hat und es alle Nase lang piepst. Darüber musste ich mich vor kurzem aufklären lassen - von meiner siebenjährigen Tochter.

Dass Kinder die Werte ihrer Eltern übernehmen, ist eine Jahrtausende alte Weisheit. Schon der Theologe Aurelius Augustinus (354-430) soll gesagt haben: „Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen.“ Heute ist es vielleicht ein E-Book, aber deshalb nicht weniger prägend.

Nun ist der Blick, den man selbst auf sich hat, ein anderer als der des Beobachters: In meiner Welt bin ich eine vorbildliche Digital-Mutter. Ich habe zu Kleinkind-Zeiten nie am Spielplatzrand gesessen und in mein Smartphone getippt - ich hatte damals noch keins. Ich entschuldige mich bei Maria, wenn ich mal eben noch einen Anruf entgegennehmen muss. Ich checke meine Mails nur schnell, wenn dafür Zeit ist. Soweit meine Wahrnehmung.

Meine Tochter beobachtet etwas anderes: Beim Sandmann guckt Mutti ins Smartphone statt in den Fernseher. Das Ding liegt meist irgendwie in der Nähe und wenn es zuckt, wird Mutti unruhig und muss mal eben ganz kurz kontrollieren, ob es was Wichtiges ist. Diese Woche platzte Maria der Geduldsfaden und sie las mir die Leviten.

Es war abends beim Waschen. Ich lag schon in Vorleseposition im Bett, das Buch in der einen, das Smartphone in der anderen Hand. Maria kam mit der Zahnbürste im Mund ins Zimmer, und stellte eine dieser rituellen Abendfragen, auf die man mit „Ja, Schatz“ oder „Nein, Schatz“ antwortet. Ich entschied mich für „Ja Schatz“ während ich noch schnell meinen Facebook-Account durchscrollte.

„Mama, was hab ich gerade gesagt?“. Erwischt! Maria sagte: „Wenn man mit seiner Tochter redet, sollte man sie angucken und ihr auch zuhören!“ Ich gab ihr Recht und entschuldigte mich. Damit ich mir das ganze auch wirklich merke, habe ich die Ermahnung jetzt als Sprachmemo auf dem Handy. Wie meinte schon Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944) so treffend: „Kinder müssen mit Erwachsenen sehr viel Nachsicht haben.“