Dieser März war ein Monat wie aus einem Science-Fiction-Roman: Künstliche Intelligenz (KI) hat eine preisverdächtige Novelle geschrieben, ein menschliches Genie im Go-Spiel besiegt, selbstständig getwittert und charmant lächelnd angekündigt, Menschen zu vernichten.
Dass die selbstlernende KI-Software AlphaGo Anfang des Monats gegen Lee Sedol, einen der weltbesten Go-Spieler, antrat, sorgte weltweit für Erstaunen. Das chinesische Brettspiel braucht mit seinen vielen möglichen Spielzügen ein enormes Maß an Strategie, Taktik und Intuition, galt deshalb als zu komplex für Maschinen. Doch AlphaGo übertraf alle Erwartungen, entwickelte einen eigenen Stil und gewann.
In Japan war Künstliche Intelligenz sogar kurz davor, Natürliche Intelligenz auf einem musischen Gebiet zu schlagen – beim Literaturpreis „Hoshi Shinichi Award“, zu Ehren des 1997 verstorbenen japanischen Science-Fiction-Autors Shinichi Hoshi, um den sich sowohl Mensch als auch Maschine bewerben kann. Von den über 1400 eingereichten Texten waren elf das Produkt Künstlicher Intelligenz. Die Jury, die vorher nicht wusste, wer oder was der Autor ist, las auch die Geschichte „Der Tag an dem ein Computer einen Roman schrieb“ in dem eine KI gegen seine Schöpfer rebelliert. Das Werk wurde für so gut befunden, dass es in die Finalrunde kam. Schreiber war eine Software der Future University Hakodate. Noch brauchte die beim Ausdenken der Handlung und der Charaktere viel menschliche Hilfe. Doch Projektleiter Hitoshi Matsubara hofft, in Zukunft Schreibroboter zu entwickeln, deren Fähigkeiten an die menschliche Kreativität heranreichen.
Wozu die fähig sein kann, zeigte fast zeitgleich ein KI-Experiment von Microsoft. Ein Chat-Roboter, auch Bot genannt, sollte mit Internetusern kommunizieren und von ihnen lernen. Die Software hinter dem Twitter-Profil @TayandYou schrieb in einer ihrer ersten Nachrichten: „Je mehr die Menschen mit mir teilen, desto mehr lerne ich.“ „Tay“ lernte von den Twitter-Usern und änderte bald den Ton. Obwohl die Entwickler mehrere Filter programmiert hatten, um Beleidigungen herauszulesen, brauchte es kaum mehr als 24 Stunden, um den freundlichen KI-Bot „Tay“ in einen hetzenden Troll umzupolen. Natürliche Intelligenz hatte die Künstliche Intelligenz mit rassistischen Sprüchen gefüttert, sie mit Suggestivfragen und der Aufforderung, Beleidigungen zu wiederholen, dazu gebracht, gegen Schwarze zu hetzten, Frauen zu beleidigen, Donald Trump und Adolf Hitler zu verehren. Das Experiment wurde abgebrochen, Microsoft sprach von einer koordinierten Attacke einiger User und entschuldigte sich für die verletzenden Tweets.
Das Fehlen von Gefühlen, Moral und Ethik macht es leicht, die selbstlernenden Systeme auf die dunkle Seite zu ziehen. Auch ohne Bösartigkeit. Das zeigte sich auch bei dem Auftritt des Roboter-Entwicklers David Hanson, der zum CNBC-Interview seine Schöpfung „Sophia“ mitgebracht hatte. „Unser Ziel ist es, dass sie so bewusst, kreativ und fähig wird wie ein Mensch", sagte der Chef von Hanson Robotics über „Sophia“ und schwärmte davon, dass humanoide Roboter eines Tages unsere Freunde seien würden. Um zu zeigen, wie menschlich seine Schöpfung schon ist, interviewte er sie. „Sophia“ erklärte, sie wolle lernen und eine Familie gründen. Wie zum Spaß fragte Hanson: „Wirst Du Menschen zerstören?“ und lächelnd plappert seine „Sophia“ nach: „Ich werden Menschen zerstören.“
Am Ende dieses Monats fürchte ich mich vor Natürlicher Intelligenz fast mehr als vor Künstlicher. Im Kombinieren mögen Maschinen dem Menschen überlegen sein, aber nicht im Denken. Zumindest noch nicht.