Als meine Tochter klein war, bin ich mit ihr im Technikmuseum bis zum Nordpol gefahren. Ich saß neben Maria im Führerstand einer alten Schnellzuglok, und sie lenkte das schwarze Dampfross, laut alle Hebel und Schalter bedienend, mit ihrer Fantasie durch Stürme und Schnee bis zum Weihnachtsmann.
Jetzt waren wir wieder im Technikmuseum und haben das Internet angefasst.
Es war ein Sonnabend, der regnerisch zu werden versprach. Deshalb suchte ich beim Technikmuseum im Veranstaltungskalender nach Führungen, die keine Anmeldungen brauchen und im Museumseintritt inbegriffen sind. Wir entschieden uns für „Komm, wir gehen ins Netz!“
Geführt von Ulrich Berger tauchten wir hinter einem Tunnel gemalter Datenströme in die Historie der Vernetzung ein. Eine Geschichte, die lange vor dem Internet begann, wie die Dauerausstellung eindrücklich zeigt.
Als Informationsträger liegt dort neben einem USB-Stick auch eine über dreitausend Jahre alte Keilschrift. Die Vorläufer von Dating-Apps waren in den 1920er Jahren die Tisch-Telefone im Ballhaus Resi. In den 1970er Jahren nutzte die kleine Bengü aus der Türkei eine Art WhatsApp-Chat mit ihren Eltern, die in Deutschland arbeiteten. Weil Telefonate sehr teuer waren, besprachen sie Kassetten und schickten einander diese „Hörbriefe“.
Brieftaubenlandeplatz mit Dunkelkammer. Foto:privat
Zu sehen ist auch eine Drohne, die von der Bundeswehr 2009 in Afghanistan eingesetzt wurde, und an ihrer Seite steht ein fahrbarer Brieftaubenschlag mit Dunkelkammer. Er war im ersten Weltkrieg Start- und Landplatz für Brieftauben, denen zur Luftaufklärung selbstauslösende Kameras umgehängt worden waren.
Direkt gegenüber konnte Maria ihren Namen verschlüsseln – mit einem Algorithmus, den sich Gaius Julius Caesar ausgedacht haben soll. Zwei Alphabet-Drehscheiben, wie Jahresringe angeordnet, von denen sich die kleinere drehen und so die Nachricht verschlüsseln lässt. Für meine Hobby-Detektivin ein echtes Highlight. Genau wie die Chiffrier-Maschine Enigma, an der sie virtuell Geheimschriften verfassen konnte.
Mich begeisterte am meisten die Mitmachstation „Paketvermittlung“, die hinter einer Wand aus Generationen von Telefonen auf die Besucher wartet. Vier unterschiedlich farbige „Rechner“ können sich untereinander 12-Punkte als Nachrichten schicken. Diese werden in 4er-Pakete zerlegt und durch ein Netzwerk mit mehreren Knotenpunkten zum Ziel geschickt. Man kann dabei zusehen, wie die einzelnen Pakete unterschiedliche Wege nehmen oder Knotenpunkte blockieren und die Punkte so zu Umwegen zwingen. Internet zum Anfassen, wie Ulrich Berger meinte. Wir hätten mit ihm noch ewig durch die Ausstellung streifen können. Aber nach einer guten Stunde war die Führung, die es auch für speziell für Schüler gibt, zu Ende.
Danach zogen wir alleine weiter durch „Das Netz“, sahen uns die vernetzte Toilette an, versuchten hörend den Unterschied zwischen MP3 und CD-Qualität zu erraten, übersetzten Marias Namen in binäre Zahlen und suchten auf einer Karte das Internetkabel nach Mexiko. Als auch das Museum Feierabend machte, war Maria traurig, weil sie noch so viele Fragen hatte, so viele Sachen ansehen und ausprobieren wollte. Ich versprach ihr, dass wir wiederkommen würden. Vielleicht schon in den Ferien.