Die Künstliche Intelligenz ist gerade das IT-Girl der Technologie-Branche. Sie zückt als Sprachassistentin den Notizblock oder nimmt als Autopilotin das Steuer in die Hand. Sie hilft als Gesichtsleserin bei der Verbrecherjagd oder stellt als Praxishelferin medizinische Diagnosen. Sie spielt Schachmeister ins Patt oder sucht bei Netflix & Co. Filme und Musik aus.
KI – so die Abkürzung für Künstliche Intelligenz – erinnert mich ein bisschen an ihr menschliches Pendant, das It-Girl Paris Hilton. Die Millionärserbin machte in den 2000er Jahren erstaunlich talentfrei als Schauspielerin, Sängerin und Designerin Schlagzeilen.
Auch KI ist längst nicht so intelligent wie ihr Name suggeriert. Bei der Digitalkonferenz „Explained“ von Microsoft begegnete ich ihr und stellte mich gemeinsam mit der PR-Expertin Catarina Specht und der Kulturwissenschaftlerin Dr. Isabel Rohner ihrem Urteil. Wir versammelten uns zu dritt vor einem Bildschirm und ließen die gesichtserkennende KI unser Alter schätzen. Die Gute machte mich zur Jüngsten in der Runde, was definitiv nicht stimmt, mich aber jubeln ließ. Bis ich das Geschlecht las. KI hielt mich auch für den einzigen Mann in unserem Trio! Keine besonders intelligente Schlussfolgerung.
„Künstliche Intelligenz ist nur ein schicker Name, eigentlich sollte es besser Schätzalgorithmus heißen“, meinte wenig später der Mathematiker Sebastian Stiller in seinem Vortrag „Algorithmus. Macht. Mensch.“ Der war wirklich spannend. Und das nicht nur, weil er mit diesem Satz das KI-Urteil erklärte.
Statistisch gesehen haben Frauen vielleicht seltener kurze Haare als Männer. Und scheinbar auch weniger Falten. Denn als die Gesichtserkennung beim nächsten Versuch mein wahres Geschlecht erkannte, machte sie mich sofort um zehn Jahre älter.
„Algorithmen sind wie Berater. Ich muss wissen, warum sie wie entscheiden, um ihre Qualität beurteilen zu können“, meinte Sebastian Stiller. Bei Algorithmen würde man meistens an statistische Datenmonster denken. Und an Mathematik. Dabei seien sie vor allem eine Möglichkeit, wie man eine Lösung für Probleme findet. Ähnlich wie Gesetze oder die Straßenverkehrsordnung. Die Macher der Algorithmen legen fest, nach welchen Kriterien, Normen und Werten unsere Daten verarbeitet werden.
Deshalb sollte ein Grundwissen über die unterschiedlichen Lösungsansätze zur Allgemeinbildung gehören. Warum das entscheidend sein kann, dafür hatte der Mathematiker ein anschauliches Beispiel. Wenn man eine Klasse nach Mädchen und Jungen aufteilt, sie fragt mit wem sie befreundet sind und das sich daraus ergebende Muster analysiert, kann man erkennen, wer in der Klasse beliebt ist. Nach diesem Algorithmus rankt Google Webseiten. Das mag für Suchanfragen okay sein, meinte der Professor „Aber würden Sie wollen, das nach diesem Prinzip Sozialnoten für ihre Kinder verteilt werden?“
Eine Frage, die ich eindeutig mit „Nein“ beantworten kann. Noch vergibt in der Schule die Lehrerin die Noten. Doch auch dort könnten Algorithmen eines Tages ihre Hilfe anbieten. Aber dann möchte ich vorher ihre Entscheidungskriterien kennenlernen!
Deshalb habe ich mir Sebastian Stillers Buch "Planet der Algorithmen. Versteht sie, bevor sie euch verstehen " bestellt.