Der bisherige Kontakt mit der digitalen Welt hat Maria weder ihrer Kreaktivität, noch ihrer Fantasie entfremdet. Trotz eigenem Tablet malt sie gern mit Farbe und Pinsel und bastelt wie eine Weltmeisterin Schiffe, Fächer, Bücher. Trotz digitaler Spielewelten gibt es zwei eigene Fantasiereiche, die Maria für ihre nächtlichen Traumreisen erfunden hat und die regelmäßig mit neuen Abenteuern ausgeschmückt werden. Nach anfänglichen Bedenken habe ich inzwischen das Gefühl, dass die Ausflüge in die virtuelle Welt ihren Horizont nicht verrengen, sondern erweitern. Einfach ein Element mehr, mit dem sie sich auseinandersetzen kann. Wie intensiv sie das tut, zeigt eine ihrer ausgedachten Geschichten, die sie mir nach unserem Mutter-Tochter-Interview erzählte:
Das Märchen vom Jungen und seinem Computer
Es war einmal ein Junge, der kriegte einen Computer. Der gefiel ihm so gut, dass er sagte, wenn jemand mit ihm spielen wollte: „Jetzt nicht, vielleicht übermorgen, vielleicht nächste Woche“. Und wenn der Freund nächste Woche kam, sagte er: „Vielleicht übernächste Woche.“ Weil der Jungen immer was mit dem Computer machen musste.
Der Junge machte so weiter und dann hatte er keine Freunde mehr. Keiner wollte mehr mit ihm spielen, weil sie alle wussten, dass er seinen Computer mehr mochte. Und dann wollte der Junge auf einmal doch etwas mit ihnen spielen und alle sagten: „Du sagst bestimmt wieder übermorgen oder überübermorgen“. Und dann hatte er keine Freunde mehr, und wenn er was sagte, meinten die anderen nur: „Aha.“
Da war der Junge ganz ganz ganz ganz ganz traurig und hat geweint. Und alle haben gesagt: „Du weinst bestimmt, weil in deinem Computer was Schlimmes passiert ist, weil du so viel gespielt hast.“ Niemand kümmerte sich um ihn, weil er davor so gemein war und immer gesagt hatte: „Jetzt nicht“.
Da war er so traurig, dass er anfing, ein netter Junge zu werden. Und er sagte nicht mehr „Übermorgen“, sondern „Jetzt, jetzt, ja, juchu.“ Und dann war er wieder so so so so glücklich, dass alle einen Computer von ihm kriegten, weil er sie so doll mochte. Dann setzten sie sich alle in einen Kreis und spielten zusammen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.