Wenn es um Kinder und neue Medien geht, heißen die Überschriften oft „Ein Tablet darf kein Babysitter sein“ oder „Tablet als Babysitter sollte tabu sein.“ Mich ärgert das. Weil ich das Bild falsch finde und weil es Eltern ein schlechtes Gewissen macht. Ein Babysitter ist ein Luxus oder eine notwendige Ausnahme, die sich Mütter und Väter im analogen Leben nicht häufig leisten. Es ist definitiv keine gedankenlose Alltäglichkeit!
Außerdem mag ich den medialen Babysitter! Seit Maria klein war, hilft er uns. Zu Kindergartenzeiten durfte sie morgens vor der Kita zehn Minuten Caillou schauen, damit ich in Ruhe meinen Kaffee trinken konnte. Befreundeten Müttern habe ich davon nur hinter vorgehaltener Hand erzählt. Aus Angst, jemand könnte das Jugendamt alarmieren: Mutter parkt Kind vorm Fernseher, um 600 Sekunden für sich zu haben. Ein Skandal!
Auch im Zug oder im Restaurant nahmen wir schon die digitale Nanny zur Hilfe, wenn Maria keine Bilder mehr malen wollte. Dafür ernteten wir aber auch Blicke, die einem das Smartphone in der Hand gefrieren lassen können. Dass wir die Spiele-Apps auf der vom Ministerium für Bildung und Forschung geförderten Datenbank „Apps für Kinder – Recherche“ auf Lernerfahrung und Inhalt geprüft hatten, sah natürlich keiner.
Und erst im Sommer! Da grillen wir manchmal mit Freunden im Park. Wenn es dunkel wird und die Kinder nicht mehr herumtoben können, dann packen wir nicht ein und fahren nach Hause. Nein, die Kleinen dürfen sich auf eine Decke legen und gemeinsam das Smartphone-Akku leerspielen, während wir Erwachsenen uns weiter unterhalten oder Musik machen. Maria liebt diese Abende – und ich auch. Und zum Glück sieht uns im Dunkeln keiner.
Es wird sogar noch verrückter! Manchmal kommt der Babysitter einfach mit dazu. Vor kurzem lief bei „Radio Teddy“ Adel Tawils Song „Lieder“. Als Maria fragte, ob er mit „Rio“ den Trickfilm meint, holte ich uns „Youtube“ aufs Sofa. Wir sahen uns erst gemeinsam das Musikvideo zu „Lieder“ an und dann alte Aufnahmen von Rio Reiser, Kurt Cobain, David Bowie und einigen anderen Interpreten, die in dem Lied eine Rolle spielen. Dazu erzählten wir Geschichten aus unserer Jugend und von den einzelnen Sängern. Schwupps waren mehr als zwei Stunden um, und „Youtube“ saß immer noch bei uns.
Wenn ich ganz ehrlich bin, ist unser digitaler Babysitter häufiger im Einsatz, als der reale. Da meine Eltern in der Nähe wohnen und regelmäßig Oma-Opa-Dienst schieben, brauchten wir in Marias Leben erst fünf Mal einen bezahlten Babysitter.
Ich finde, Tablet oder Smartphone dürfen sehr wohl Babysitter sein. Was sie nicht sein dürfen sind Freunde oder Familie. Die braucht man nämlich jeden Tag und ganz analog so lange wie möglich an seiner Seite.