Maria und die Angst von Paris

Als Journalistin hatte ich schon oft darüber geschrieben, wie Eltern nach Katastrophen oder Terroranschlägen auf ihre Kinder eingehen und ihnen altersgerecht die Hintergründe erklären sollten. Doch diesmal trafen mich die Nachrichten als Mutter! So sammle ich Material für ein Gespräch mit Maria.

Die Kindernachrichten-Sendung „logo“ bietet eine Themenseite „Anschläge in Paris“ mit einer kindgerechten Erklärung  "Was können Anschläge bewirken?“
Bei der von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten
Kinderseite „Hanisauland“ gibt es eine kurze Zusammenfassung mit kindgerechter Erklärung von Begriffen wie Terror und Meinungsfreiheit.

Und ich will Maria von Lassana Bathily erzählen. Der Muslim aus Mali arbeitet in Paris in dem jüdischen Supermarkt, der ein Tatort der Terror-Attacken war.
 Weil sein jüdischer Chef ihm die Möglichkeit gab, in den Hinterräumen des Geschäfts zu beten, konnte er während der Geiselnahme einige Kunden im Kühlraum verstecken, darunter auch ein Kind.
 
Ihn werde ich vermutlich als roten Faden für unser Gespräch nehmen. Denn eigentlich wollte ich die Attentate in Paris von meiner Siebenjährigen fernhalten. Aber trotz Vorsichtsmaßnahmen bekam sie mit, dass Menschen erschossen wurden – dort, wo wir in den Herbstferien zusammen Freunde besucht hatten.
 
Sie hatte die Ecke eines Fotos gesehen – mit fliehenden Geiseln aus dem jüdischen Supermarkt. Ein weinender Junge in den Armen eines rennenden Mannes in Kampfmontur. „Was hat der Junge? Warum muss ihn ein Polizist tragen?“ fragte Maria. „Weil er eine Geisel war.“ „Was macht eine Geisel?“, „Sie hat Angst.“ „Warum wollte der Junge Angst haben?“
 
Ich erklärte ihr, dass man nicht Geisel sein will. Sondern dazu gemacht wird! Ich versuchte es mit einer zwar ihrer Lebenswelt nahen, aber doch nicht zu bedrohlichen Erklärung: „Wenn zum Beispiel jemand Böses zu uns kommt und sagt, wir müssen ihm Geld geben, sonst tut er unserem Kater weh. Dann ist der Kater eine Geisel.“ Maria dachte lange nach und fragte dann: „Warum wollte jemand dem Jungen weh tun?“ Jetzt musste ich nachdenken.
 
Wir glauben nicht an einen Gott. Aber Maria weiß, dass man an ihn glauben kann. Oder auch an andere Götter. In ihrer Klasse gibt es mehrere Kinder, die zum Religionsunterricht gehen, eine Mitschülerin, die in der Moschee betet. Maria kennt die Namen Jesus, Buddha und Mohammed.
Mit dem
Kinderbuch „Was glaubt die Welt? Die fünf großen Religionen“ hat sie gelernt, dass Juden und Muslime kein Schweinefleisch essen, dass Christen wie Muslime Angst vor der Hölle haben und sich unverheiratete Hindu-Frauen einen roten Punkt auf die Stirn malen. Wir hatten ihr aber auch erzählt, dass schon im Namen eines jedes Gottes Kriege geführt und Menschen getötet wurden.
 
„Warum wollte jemand dem Jungen weh tun?“, insistierte Maria. „Weil er Angst machen will. Aber das ist eine lange Geschichte.“ Ich habe Maria versprochen, dass wir am Wochenende in Ruhe darüber reden werden.