Glaube und Bilder

Als ich meiner Tochter die Attentate von Paris erkläre, will sie wissen: „Warum wollen sie nicht, dass man Mohammed malt?“ Eine naheliegende Frage. Ich hatte sie mir bisher nie gestellt. Für mich war es eine Tatsache. Ein Fakt, der nicht hinterfragt werden muss. Nun stößt mich ausgerechnet meine siebenjährige Tochter auf meine Unwissenheit.

Schon früh hatten wir versucht, bei Maria mit Kindergeschichten wie „Irgendwie anders“ von Kathryn Cave und Chris Riddell und „Papa“ von Philippe Corentin neben ihrer Fantasie auch ihre Empathie zu stärken. Mein Lieblingsbuch allerdings ist ein Projekt des Fotografen James Mollison. Für „Where Children Sleep“ (Wo Kinder schlafen) porträtierte er rund um die Welt Kinder und ihre Schlafplätze. Reiche, arme, Muslime, Juden, Christen, Buddhisten, Atheisten. Mollisons skizziert mit wenigen Worten die Lebensbedingungen der Kinder und ihre Zukunftswünsche. Das Ungleichgewicht der Welt bekommt so Gesichter, Namen, Schicksale.

Maria blättert in dem Buch "Where Children Sleep". Die Bilder kann man auch im Netz ansehen - unter  jamesmollison.com           Foto: Privat

Maria blättert in dem Buch "Where Children Sleep". Die Bilder kann man auch im Netz ansehen - unter  jamesmollison.com           Foto: Privat

Maria war vier Jahre alt, als sie sich das Buch zum ersten Mal mit mir ansah. Sie blieb zuerst bei der vierjährigen Kaya aus Tokio hängen. In deren Zimmer stapeln sich Kuscheltiere, Kleider und rosa Plaste-Tinnef bis unter die Decke. Drei dieser Spielzeuge fand Maria auf Anhieb schön. Na super, dachte ich. Aber als wir das Buch zuklappten, erinnerte sie sich vor allem an den vierjährigen Roma-Jungen, der mit seiner Familie auf einer Matratze vor den Toren Roms lebt. Und an Indira (7), die in Nepal im Steinbruch arbeitet und in einer kleinen Hütte wohnt.

Noch immer blättert Maria gern in dem Buch. Die Kinder darin gehören weitesten Sinne irgendwie zur Familie, helfen Unterschiede erfassbar zu machen. Soziale wie kulturelle. Auch diesmal holen wir im Laufe des Gesprächs „Where Children Sleep“ heraus, finden aber keine Antwort auf Marias Frage.

Wir suchen im Internet weiter: Die Seiten religion-entdecken.de und wasglaubstdudenn.de versuchen, die komplexen Fragen des Glaubens in einfachen Worten zu vermitteln. Wir malen mit einer einfachen Zeichnung die Unterschiede auf. Ganz oben gibt es einen Kreis, denn Juden, Muslime und Christen vertrauen einer einzigen heiligen Kraft. Die ist so groß, dass man sie nicht bildlich einfangen kann. Für Christen ist es Gott, für Juden Jahwe und für Muslime Allah. Soweit die „Gemeinsamkeit“.

Dann trennen sich die Religionen: Während Juden noch auf den Erlöser warten, glauben Christen an Jesus als göttlichen Vertreter auf Erden und Muslime an Mohammed. Anfangs gab es noch Bilder mit ihm. Doch im Laufe der Zeit wurde sein Gesicht von Schleiern verdeckt oder war nur ein Fleck. „Im Koran gibt es keinen einzigen Vers, der das Malen von Bildern verbietet; erst nach Muhammads Tod bezeugten einige seiner Weggefährten, der Prophet habe Bilder nicht leiden können“, steht bei wasglaubstdudenn.de. Mohammed wollte angeblich nicht angebetet werden. Schließlich war er ja der Bote und nicht Star. „Er wollte also nicht berühmt sein“, meint Maria nachdenklich und malt Mohammed auf unserer Zeichnung einen großen Hut auf. Damit man sein Gesicht nicht erkennt.

Unsere "Religionszeichnung":  Christen, Muslime und Juden glauben an eine göttliche Kraft. Dessen "Bote" ist für Christen Jesus, für Muslime Mohammed. Jüdische Gläubige warten noch auf ihn (deshalb das Fragezeichen).     &nb…

Unsere "Religionszeichnung":  Christen, Muslime und Juden glauben an eine göttliche Kraft. Dessen "Bote" ist für Christen Jesus, für Muslime Mohammed. Jüdische Gläubige warten noch auf ihn (deshalb das Fragezeichen).                                                                                 Zeichnung: Maria