Woran starb Mozart? Wer war Elise, für die Beethoven das Klavierstück schrieb? Bei solchen Fragen vertröste ich Maria kurz und suche bei „Wikipedia“ oder dem Kinder-Wiki „Klexikon“ nach der Antwort. „Ist das Internet klüger als der Mensch?“ Diese Kinderfrage beschäftigte mich tagelang.
Laut Brockhaus ist Klugheit "verständige Überlegenheit richtigen Verhaltens in schwierigen Situationen". Wikipedia beschreibt sie als „die Fähigkeit zu angemessenem Handeln im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller für die Situation relevanten Faktoren, individueller Handlungsziele und sittlicher Einsichten.“ Klug zu sein setzt also Werte und Kompetenzen voraus. Das Netz aber ist ethisch neutral – wie der Journalist Friedemann Karig bei der Berliner "Media Convention" erklärte. Ein virtuelles Gefäß in das Wissen, Meinungen, Theorien und Verschwörungen gefüllt werden. Noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte standen so viele Informationen aus so vielen unterschiedlichen Quellen gleichzeitig frei zur Verfügung. Noch nie hatten so viele Menschen die Möglichkeit, ihre Meinung einem so großen Publikum mitzuteilen.
Das führt auch dazu, dass eine aristotelische Theorie neuen Aufwind bekommt. Der altgriechische Philosoph (384 - 322 v. Chr) schrieb in der Nikomachischen Ethik von der Weisheit der Vielen. Mit der Summierungstheorie stellte er die These auf, dass das Urteil der Masse besser oder doch nicht schlechter sei als das weniger Experten. Im digitalen Zeitalter heißt das „Schwarmintelligenz“. Doch macht sie das Internet klüger?
Die „Lübecker Nachrichten“ haben im Juni vor einem Schwarm kapituliert und aufgehört, Artikel über Flüchtlinge in Lübeck auf ihrer Facebookseite zu veröffentlichen - obwohl sie das Thema wichtig finden. „Die Masse der justitiablen Anfeindungen und die Folgen wie Beleidigungsklagen sind einfach nicht mehr zu handhaben“, erklärte der Onlinechefredakteur.
Der selbe virtuelle Ort – ein anderen Schwarm: Bei Facebook wurde nach der braunen Hetze gegen Flüchtlinge im sächsischen Freital die Gruppe „Willkommensgrüße“ gegründet, um mit Postkarten an die Ankommenden ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Tausende machen bei der Aktion mit, schickten persönliche Willkommensgrüße mit der Post. Und dieser Schwarm der Toleranz wächst täglich.
Das Internet ist weder dumm noch klug, es kann nur wie ein Mikrofon die Dummheit oder Klugheit der Menschen verstärken.
Der Vortrag von Friedemann Karig über Wahrheit, Verschwörung und Ethik im Netz. Fast eine Stunde lang, aber wirklich interessant: